Die Hörer*innen des Deutschlandfunks haben für 2022 in der Reihe Denkfabrik das Jahresthema „Arbeit in Deutschland – Von der Hand in den Mund – Wenn Arbeit kaum zum Leben reicht“ gewählt. In der DLF-Sendung „Aus Kultur- und Sozialwissenschaften“ lief am 13.1.22 (leider gekürzt) mein Beitrag zur Frage, was und wer heute noch Arbeiterklasse ist – und wie sich diese in den letzten Jahren verändert hat.
Dazu habe ich im Dezember 2021 mit Wissenschaftler*innen, Gewerkschafter*innen gesprochen. Zu Wort kommt auch die Menschenrechtsaktivistin Inge Bultschnieder vom Verein IG Werkfairträge gesprochen. Sie engagiert sich in Rheda-Wiedenbrück für die ausgebeuteten „Werkvertragsarbeiter*innen bei Tönnies.
Hier könnt Ihr den Beitrag hören:
Geschnitten, gemischt und gesprochen hat den Beitrag Aiga Kornemann. Vielen lieben Dank!
Niemand will mehr zur Arbeiterklasse gehören. In Umfragen zählen sich die meisten Menschen zur Mittelschicht, egal wie schlecht ihre Arbeit bezahlt wird. Dabei steigt die Zahl derjenigen, die nicht mehr von ihrem Arbeitslohn leben können. Arm trotz Arbeit. Die Arbeiterschaft wird immer mehr zum Dienstleistungsproletariat, zersplittert, kaum organisiert und oftmals ausgebeutet.
Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will“ hieß es einst in der Arbeiterbewegung. Die „Arbeiterklasse“ war lange ein fest stehender Begriff. -nicht nur in der Sozial- und Gesellschaftsforschung. Karl Marx definierte sie sarkastisch als diejenigen, die doppelt frei seien: Frei vom Besitz an Produktionsmitteln und frei darin, zu verelenden oder sich von Kapitalisten ausbeuten zu lassen. Später wurde die Arbeiterklasse in den sich sozialistisch nennenden Ländern zur Staatsmacht – vertreten – und gerne auch bevormundet – von der kommunistischen oder sozialistischen Partei, die – angeblich – immer recht hatte. Und heute? Die Arbeiterschaft gibt es weiterhin, aber sie zersplittert immer mehr. Statt in Fabrikhallen großer Industrieunternehmen erbringt sie – zumindest in Europa – vor allem Dienstleistungen – trägt Pakete aus, bringt das online bestellte Essen an die Tür. Die Industriearbeit ist ausgewandert, vor allem nach China, Vietnam und in andere Länder des Fernen Ostens.