Das Radfahrer-Prinzip ist seit langem bekannt: Nach oben buckeln, nach unten treten. Vornehmer ausgedrückt: Selbstaufwertung durch die Abwertung anderer. Doch warum machen Menschen das, statt ihre Unzufriedenheit und Wut gegen diejenigen zu richten, die für ihre schwierige Lage Verantwortung tragen. Die Wissenschaft hat eine ganze Reihe von Antworten.
Leute, die unter Druck stehen, lassen ihre Wut an Schwächeren ab. Der aktuelle Krieg in der Ukraine liefert leider wieder reichlich Beispiele, etwa die Kriegsverbrechen von Soldaten an unbewaffneten Zivilisten. Doch auch in Deutschland werten sich Menschen vermeintlich auf, indem sie andere abwerten. Überdurchschnittlich viele Menschen in prekären Verhältnissen wählen rechte Parteien. Rassistische und autoritäre Vorstellungen finden hier mehr Zustimmung als im besser situierten Teil der Gesellschaft. 21 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter haben bei der letzten Bundestagswahl AfD gewählt, anteilig rund doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung. Sozialwissenschaftler nennen dafür verschiedene Gründe.
Mein Beitrag im Deutschlandfunk (Sendung „Aus Kultur- und Sozialwissenschaften“):
„Flüchtlinge müssten, also meiner Meinung nach, die müssten raus. Wer hier jetzt herkommt, arbeitet, sich integriert, wer sich einordnet, unterordnet, kein Thema…. Aber die, die nur hierher kommen und die Hand aufhalten und sich benehmen wie das Letzte und denken, die können sich alles erlauben, raus. …Ich hätte kein Problem damit, jetzt mal Buchenwald wieder aufzumachen, einen Stacheldraht ringsrum, die dort rein, wir dort draußen. …“
Antworten wie diese hat der Soziologe Klaus Dörre von Arbeiterinnen, Arbeitern und prekär Beschäftigten bekommen. Mit ausführlichen, persönlichen Interviews erkunden Dörre und sein Team seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts die Stimmung in Deutschland. Fazit: Prekär Beschäftigte, Arbeiterinnen und Arbeiter wählen – wenn sie überhaupt noch zur Wahl gehen – weit mehr als Menschen aus anderen sozialen Schichten rechtsradikale oder rechtspopulistische Parteien.