Zuletzt aktualisiert am 31. Juli 2015 um 21:29
Gerne folge ich Timo Stoppachers („Fit für Journalismus“)Aufruf zur Blogparade:
„Warum ich gerne freier Journalist bin“ #darumfrei
Angefangen habe ich vor 25 Jahren mit dem Traum, den so viele Kollegen träumen: Redakteur beim Deutschlandradio wäre ich gerne geworden, bei der Süddeutschen oder beim Spiegel, vielleicht auch bei der taz. Hat (leider?) nicht geklappt. Nach Abschluss von Jurastudium und Deutscher Journalistischenschule habe ich hunderte (nicht übertrieben) von Bewerbungen geschriebenund ebenso viele Absagen erhalten – meist ohne Begründung („wir haben einen noch geeignetere/n Kandidat/in für die Stelle… bedauern und wünschen Ihnen… ). Auf Nachfrage erfuhr ich dann oft, dass man ausschreiben musste, obwohl man schon jemanden für die Stelle hatte, dass ich „überqualifiziert“ sei (leider häufig) oder dass ich (ab 40) zu alt sei.
So wurde ich freier Journalist, Reisebuch-Autor, Fotograf, Dozent und mehr: Ein Leben in der Achterbahn: gute Jahre, schlechte Jahre, mal so, mal so: Jeden Tag eine Wundertüte, mal grau und leer, mal voller bunter Überraschung. Manche Monate bringen keinen Umsatz, andere Geldsegen.
Zu viele Festangestellten erleben ihr Gehalt als Schmerzensgeld
Die meisten Festangestellten kommen auf ein besseres Gehalt zuzüglich bezahltem Urlaub, Weihnachtsgeld und wenn sie krank sind Lohnfortzahlung. Trotzdem möchte ich meine Freiheit nicht mehr missen. Ich suche mir Themen, die mir wichtig sind, die mich berühren, bewegen und interessieren, arbeite wann und wo ich (oder der Kunde ;-)) will, mit dem Laptop am Starnberger See, an der Ostsee im Straßencafé und sonst wo auf der Welt – oder (meistens doch) zuhause am Schreibtisch. Bin ich im Paradies? Nicht ganz: Selbstständige arbeiten selbst und ständig. Mir sagt niemand, wann ich anfangen muss, was ich zuerst erledigen soll und wann ich Feierabend machen darf. Zu tun ist immer was und wenn es „nur“ die Buchhaltung ist. Ablenkung lockt immer: Mails, spannende Internetseiten, meine Blogs, Aufräumen….
Nervig finde ich die Akquise: Mehr als die Hälfte meiner Arbeitszeit verbringe ich am Telefon, um den Kolleg/inn/en in den Redaktionen Themen und Geschichten anzubieten. Nur selten höre ich ein klares „Ja“ oder „Nein“. Meist werde ich vertröstet, über Monate und Monate – wenn ich die Zuständigen überhaupt erreiche. Die verbringen den größten Teil ihrer Arbeitszeit in Konferenzen. Danke, dass mir dieses Schicksal erspart bleibt.
Mach’s mir billiger
Wenn ich dann wie vereinbart zum fünften, achten oder zehnten Mal nachfrage, erfahre ich oft, dass mein/e Ansprechpartner/in den Job gewechselt oder in Rente gegangen ist. Neue Redakteure bringen ihre eigenen freien Autoren mit, arbeiten nach neuem Konzept oder „haben kein Budget“, um Geschichten von Freien zu kaufen. „Wir müssen alles selbst schreiben und fotografieren“, höre ich immer öfter – oder: Wir zahlen für Text und Fotos 100 Euro (und weniger). Einer, der es noch billiger macht, findet sich immer.
Noch häufiger verschwinden Kunden ganz vom Markt: Die Sendung, das Magazin oder die Zeitung wurden eingestellt. Rund 50 meiner Abnehmer habe ich in den letzten 20 Jahren „überlebt“.
„Du hast ja einen tollen Job“
Ich staune immer wieder über die Bewunderung, die mir als Reporter auf meinen Recherchetouren überall in Europa entgegenschlägt. „Du hast ja einen tollen Job“, höre ich immer wieder. Viele Fragen, wie man Journalist, Reporter und vor allem Reisejournalist wird. „Ja“, antworte ich zumeist begeistert von den vielen Inspirationen, die mir meine Recherchereisen bieten, aber… . Dann erzähle ich von den Nachteilen: Akquise, Überangebot, fallende Preise, … . Meine Gesprächspartner werden dann meist still.
Trotzdem: Einen festen Job möchte ich nicht mehr: Sitzungen, Konferenzen, Organisieren, Redaktionsintrigen, Mobbing reizen mich weniger. Fast jedes Gespräch mit angestellten Kolleg/inn/en bestärkt mich auf meinem Weg: Eine Bekannte von mir hat in einem großen ARD-Sender Karriere gemacht. Sie wurde Redaktionsleiterin. Als Journalistin arbeitet sie kaum noch. Sie organisiert, plant, sitzt in Konferenzen, verhandelt über Budgets, schlichtet Konflikte in der Redaktion und schlägt sich mit der Anstaltsbürokratie herum. Wenn mir das Freiendasein zur Last wird rede ich gerne mit Menschen in Festanstellung. Meist liebe ich mein freies wildes Arbeitsleben danach wieder.