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Kühe auf dem Wasser: Die schwimmende Milchfarm in Rotterdam

Kühe auf dem Wasser: Die schwimmende Milchfarm in Rotterdam

Zuletzt aktualisiert am 21. Oktober 2020 um 14:44

meine Reportage von Europas erstem Kuhstall auf dem Wasser im Deutschlandfunk, Frühjahr 2020:

Kühe auf dem Wasser – Die schwimmende Milchfarm in Rotterdam: In einem ehemaligen Rotterdamer Hafenbecken muhen Kühe. 34 Rijn-Maas-Ijssel-Rinder leben in einem schwimmenden Kuhstall auf dem Wasser. Minke und Peter van Wingerden, sie Fachfrau für Marketing in der Lebensmittelwirtschaft und er Ingenieur, bauen eine geschlossene Kreislaufwirtschaft auf. Die Kühe fressen den Grasschnitt aus einem nahen Naturschutzgebiet, die Kartoffelschalen einer  Rotterdamer Pommesfabrik und Brau-Abfälle einer Brauerei in der Nähe. Den Mist der Rinder verarbeiten die Wasser-Bauern zu Dünger für Rotterdamer Parks und Gärten. Ihre cremigen, vollfetten Milchprodukte liefern sie mit Elektroautos an Cafés, Restaurants und Supermärkte in der Umgebung. Die Solaranlagen nebenan liefern der Floating Farm Strom.

Landwirtschaft wo die Verbraucher*innen leben

Die schwimmende Farm in Rotterdam mit Solarpanele zur Eigenstromgewinnung / The Floating Farm in Rotterdam powered by solar panels, 20.2.2020, Foto: Robert B. Fishman
Kühe auf dem Wasser: Die schwimmende Milch-Farm in Rotterdam mit Solarpanele zur Eigenstromgewinnung / The Floating Farm in Rotterdam powered by solar panels, 20.2.2020, Foto: Robert B. Fishman

 

 

Ein Erlebnis in New York brachte Ehemann Peter 2012 auf die Idee: Nach einem Hurricane standen Teile Manhattans unter Wasser. Die Supermarktregale blieben leer, weil die Lastwagen nicht mehr auf die Insel fahren konnten:

 Wir wollen Lebensmittel möglichst nahe am Verbraucher herstellen. Diese leben in der Stadt. … Platz dafür haben wir auf dem Wasser. Dort sehen dann die Stadt-Kinder, wie zum Beispiel eine Tomate wächst oder die Milch gemacht wird. 

Landwirtschaft auf dem Wasser spart so Transporte und  entlastet das Klima. 

Wie bekommen wir 9 Milliarden Menschen satt?

 …Wir sind bald bei 9 Milliarden Menschen. Da frage ich mich, wie wir die alle satt bekommen. … Wir betonieren das Land immer weiter zu, obwohl 70 % der Erdoberfläche aus Wasser besteht und die Meeresspiegel steigen .… 

sagte Peter van Wingerden 2016. Keine zwei Jahre später ging die schwimmende Farm der Wingerdens in Betrieb. 34 Kühe leben auf einem 27 mal 27 Meter großen Ponton, der mit Ebbe und Flut steigend und fallend in einem ehemaligen Hafenbecken schwimmt. In der Etage unter dem Kuhstall wird die Milch direkt verarbeitet. Minke van Wingerden:

… Sie wird nur pasteurisiert und homogenisiert. So entsteht eine Milch mit vollem Fettgehalt. Deshalb schmeckt sie so wunderbar cremig. …

Ein feuerroter Roboter fährt im Kuhstall hin und her. Er sammelt den Mist der Kühe ein und leitet ihn in einen Seperator. Dieser trennt den Naß- vom Trockenanteil des Dungs.

… Der Trockenanteil wird dann sterilisiert und in den städtischen Parks und Gärten als Dünger verwendet. Wir arbeiten im Moment an einem Konzept, wie man die Mineralien aus dem Nassanteil des Mist heraus filtern kann. Den Rest könnte man dann ins Abwasser leiten.

Kreislauf-Landwirtschaft

Ursprünglich wollten die Wingerdens auf ihrer schwimmenden Farm ein komplett autarkes Kreislaufsystem schaffen. Das klappt bisher nur teilweise. 

… ursprünglich wollten wir das Gras für die Kühe unter LED-Licht auf der Ebene unter dem Kuhstall wachsen lassen. Leider ist die Fläche nicht ergiebig genug und es wäre sehr teuer. Deshalb haben wir uns in der Stadt umgesehen und dort eine Menge Abfallprodukte gefunden, mit denen wir die Kühe füttern können. Sie upcyceln diese Biomasse sozusagen zu gesunder Milch.

Die Kühe bekommen jetzt Gras von Wiesen eines Naturschutzgebiets an Land, Kartoffenschalen eines Pommes-Herstellers und die Bio-Abfälle einer Rotterdamer Brauerei. 

2,7 Millionen Euro haben die Wingerdens in ihre Farm investiert. Mit zehn Angestellten trägt sich das Geschäft, obwohl die Milch mit 1,50 Euro für einen dreiviertel Liter deutlich teurer ist als herkömmliche.

….Die Baristas zum Beispiel lieben unsere Milch weil sie so gut für Cappuccino ist. Wir verkaufen sie direkt an Restaurants und Cafés. Ein Spediteur liefert unsere Produkte mit Elektroautos außerdem direkt zu Lebensmittelgeschäft überall in der Stadt. Und dann haben wir hier auf dem schwimmenden Bauernhof noch einen kleinen Laden, in dem die Endverbraucher freitags und samstags unsere Milchprodukte kaufen.

Platz ist auf dem Wasser

Den Kühen scheint es im Stall auf dem Wasser gut zu gehen. Sie sehen gesund und zufrieden aus. 

Unsere Tiere sind MRI Kühe, Maas-Rhein-Ijssel. Das ist eine typisch niederländische Rasse. Sie eignen sich für die Milch-und die Fleischproduktion. Wir haben sie genommen, weil sie einen ruhigen Charakter haben .…

Wie nachhaltig allerdings Milch- und Fleischwirtschaft in Zeiten des Klimawandels überhaupt noch sein kann, ist eine ganz andere Frage.

Risilient City, Kreislaufwirtschaft, weniger Müll, mehr Klimaschutz: Rotterdam hat sich auf den Weg gemacht – zum Beispiel in der Blue City.

 

Von Robert B Fishman

freier Journalist, Autor (Hörfunk und Print), Fotograf, Moderator, Reiseleiter und mehr

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