Kategorien
ecomedia. das journalistenbuero Radiobeiträge Text & Bild

Regenerative Landwirtschaft: ein Ausweg aus der Klimakrise?

Regenerative Landwirtschaft: Gesunde Böden binden CO₂ und sorgen für ein vielfältiges Bodenleben, in dem die Nutzpflanzen besser gedeihen.

Die Landwirtschaft verursacht weltweit ein Viertel bis ein Drittel aller Treibhausgase. Ihre Spritz- und Düngemittel belasten das Grundwasser, beschleunigen das Artensterben und belasten auch sonst die Umwelt. Gleichzeitig leiden Bäuerinnen und Bauern unter immer mehr Extremwetter: Dürre und Hochwasser vernichten ganze Ernten. Wie kann die Landwirtschaft nachhaltiger werden? Antworten liefert das Konzept der „regenerativen Landwirtschaft“

Hier meine Reportage in der WDR-Radiosendung Quarks zum Nachhören:

Bauer Thomas Unkelbach sticht mit seinem Spaten ein dickes Stück Erde aus seiner Ackerkrume. Die ist auch im Winter dicht von Grün bewachsen, der Boden gut durchwurzelt. „Waschelnass“ sei er, aber nicht „bazig“, freut sich der 44-jährige am Stadtrand von München. Dazu zerdrückt er vorsichtig ein Stück Erde. Die rieselt in kleinen Bröseln aus seinen kräftigen Händen.

„Die Pflanze, erklärt Unkelbach, macht sogar im Dezember „mit dem bissel Sonnenlicht Photosynthese, schickt Nährstoffe in den Boden und die Mikrobiologie im Boden funktioniert.“

Bauer Thomas Unkelbach führt den Geigerhof in der 4. Generation: 60 Milchkühe, 30 Hektar eigene Ackerflächen und rund 25 Hektar, die er mit Kollegen in der Nachbarschaft zusammen bewirtschaftet. Der Hof, sagt der 44jährige Landwirt, sei etwa so groß wie der Durchschnitt in Bayern.

bodenschonender Ackerbau möglichst ohne Pflug

Doch etwas ist hier anders: Unkelbach wirtschaftet nach den Regeln der regenerativen Landwirtschaft:

Die Bauern pflügen möglichst wenig oder gar nicht und vermeiden, wo möglich, den Einsatz schwerer Maschinen, die den Untergrund verdichten. Zusätzlich achten sie darauf, dass der Boden das ganze Jahr über von Pflanzen bewachsen ist. Dazu säen sie nach der Ernte Zwischenfrüchte oder Gründüngung. Wichtig ist außerdem eine abwechslungsreiche Fruchtfolge, damit keine Monokultur das Erdreich auslaugt.

Pflügen bringt zwar Pflanzenreste als Nährstoffe in den Boden und befreit den Acker von störenden Wild- oder Unkräutern.

Es hat aber auch Nachteile: In jeder der verschiedenen Bodenschichten leben Mikro-Organismen, die sich an die jeweiligen Bedingungen angepasst haben. Wird das Land umgegraben, gelangen Lebewesen, die an die Tiefe angepasst sind nach oben und die aus oberen Bodenschichten nach unten. Dort gehen die meisten von ihnen ein. Ihre Überreste dienen den Kulturpflanzen als Nahrung. Das natürliche Bodenleben bringt der Pflug allerdings komplett durcheinander.

Immergrüner Boden

Um das zu vermeiden, empfiehlt zum Beispiel die Agrarwissenschaftlerin Maria Finckh von der Uni Kassel den Bauern, Kompost auf dem Acker zu verteilen und so die angebauten Pflanzen mit zusätzlichen Nährstoffen zu versorgen.

Der Boden, sagt sie wie viele andere Fachleute, solle außerdem immer von Pflanzen bedeckt sein.

Axel Don vom bundeseigenen Thünen-Institut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei sieht das genauso: „Wir sehen noch viel zu viele Äcker, die im Herbst braun sind und im Winter, wo gar nichts wächst“ beklagt der Experte.

Den Böden in Deutschland gehe es nicht gut. Die nährstoffreiche, fruchtbare Humusschicht, die außerdem auch klimaschädliche Treibhausgase aufnimmt, sie schwindet. Erstmals in der jüngeren Geschichte hätten die Acker- und Grünland- Flächen in Deutschland im vergangenen Jahr mehr Humus verloren als aufgebaut.Und wenn wir Humus verlieren, verlieren wir Bodenfruchtbarkeit.“ Regenerative Landwirtschaft baut Humus auf, sagt auch Agrarwissenschaftler Axel Don.

Das schwarze Gold der Landwirtschaft schwindet

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL nennt den Humus das „schwarze Gold der Landwirtschaft“. Er speichere viel CO2 und sauge Wasser auf wie ein Schwamm. Dadurch vermindert Humus den Wasserabfluss, kappt Hochwasserspitzen und speist die Trinkwasserspeicher.

Regenerativ heißt erneuernd. Die Idee: Bauern sollen die Böden so bewirtschaften, dass sie Kohlenstoff binden, der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen, damit dem Klimawandel entgegen wirken und die Vielfalt des Bodenlebens fördern. Mehrere Forschungsprojekte, etwa in Baden-Württemberg oder Hessen zeigen, dass die Rechnung aufgeht.

Die Grundidee: Ständig bepflanzte Böden nehmen mehr Wasser auf und trocken nicht so schnell aus. Die Pflanzen schützen den Acker vor Erosion und bringen zusätzliche Nährstoffe ins Erdreich, die die Pflanzen stärken.

Diese Erfahrung macht auch Landwirt Thomas Unkelbach am Münchner Stadtrand. Seine Pflanzen bilden auf dem komplett bewachsenen Feld starke Wurzeln aus. Hitze und Trockenheit widerstehen sie besser, als Gewächse, die stark nach oben austreiben aber nur schwache Wurzeln bilden.

Greenwashing

Problem: Es gibt in Europa keine verbindliche Definition der regenerativen Landwirtschaft. Weil regenerativ gut klingt, nutzen Unternehmen den Begriff auch gerne, um ihre Produkte grün zu waschen. Tatsächlich hat etwa der Lebensmittelkonzern Nestlé angekündigt, bis 2030 die Hälfte seiner Rohstoffe aus regenerativer Landwirtschaft zu beziehen. Was das genau heißt, bleibt offen.

Die Agrarwissenschaftlerin Andrea Beste geht mit ihrer Kritik noch weiter: Die meisten Konzerne verstünden unter regenerativer Landwirtschaft nur eine konservierende Bodenbearbeitung mit Pestizid- und Mineraldünger-Einsatz, garniert mit Zwischenfrüchten und Blühstreifen. Aber Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger schädigen die Bodenlebewesen. Deshalb dürfe sich niemand regenerativ nennen, der sich nicht an die Regeln des ökologischen Landbaus halte.

Bauer Thomas Unkelbach untersucht die Bodenkrume auf seinem regenerativ bewirtschafteten Acker: Die Erde ist schön locker und krümelig.
Bauer Thomas Unkelbach betreibt regenerative Landwirtschaft. Hier begutachtet er die Durchwurzelung des Bodens auf einem seiner Felder/ regenerative farming: farmenr Thomas Unkelbach examining his soil. 4.12.2024, Foto: Robert B. Fishman

Noch wichtiger als der Streit um die Begriffe ist die wirtschaftliche Seite: Stellen die Bauern auf die Methoden der regenerativen Landwirtschaft um, haben sie mehr Arbeit und damit höhere Kosten.

Mehr Aufwand, den niemand den Bauern bezahlt

Axel Don vom Thünen-Institut hat nachgerechnet: Gutes Saatgut für Zwischenfrüchte koste mindestens 100 Euro pro Hektar. Ausbringen müssten es die Bauern im Sommer, wenn sie voll mit der Ernte beschäftigt sind und kleine Zeit für zusätzliche Arbeit haben.

Regenerative Landwirtschaft koste die Landwirte also kurzfristig mehr Zeit und Geld. Beides ist auf den Höfen knapp. Eine bessere Ernte verspricht die Landwirtschaft nur langfristig und auch nur auf einigen Böden.

Versuche in Baden-Württemberg und Hessen haben zum Beispiel keine Ertragssteigerungen durch regenerative Landwirtschaft ergeben. Die Bauern ernten also nicht mehr, wenn sie ihre Böden schonender bearbeiten. Allerdings kommen regenerativ angebaute Pflanzen mit Hitze und Starkregen besser zurecht, wie Maria Finck aus ihren Versuchen in Witzenhausen bei Kassel berichtet. Bleibt der Regen aus, vertrocknen die Pflanzen nicht so schnell. Starkregen versickere in den lockeren, regenerativ bewirtschafteten Böden schneller als auf Flächen, die durch den Einsatz schwerer Maschinen verdichtet sind. Außerdem schützt die Regenerative Landwirtschaft die Böden vor dem Austrocknen und vor Erosion durch Wind und Regengüsse: „Unter besten Bedingungen sehen Sie keine Unterschiede. Aber sobald es stressig wird, sehen Sie, dass unsere Methoden die Erträge eher auch oben halten und deutlich weniger Verluste fahren als die anderen Böden.“

Als Motivation zur Umstellung reicht das den meisten Landwirten jedoch nicht. Sie müssen mit jedem Euro rechnen. Damit sich eine nachhaltige Landwirtschaft für die Betriebe lohnt, müsste man sie für die zusätzliche Arbeit bezahlen.

Agrarföderung umlenken

Axel Don vom Thünen-Institut schlägt deshalb vor, die staatliche Agrarförderung Deutschlands und der EU in regenerativ wirtschaftende Betriebe zu lenken. Das wären jährlich fünf Milliarden Euro für Bodenschutz, Biodiversität und sauberes Trinkwasser.

Wie überall bilden auch in der Landwirtschaft die Preise nicht die wahren Kosten der Produkte ab. Folgekosten werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Die Landwirtschaft trägt zu einem Drittel zur Erderwärmung bei. Und die wird immer teurer. Schätzungen zufolge verringern Extremwetter, Anstieg der Meeresspiegel und andere Folgen der menschengemachten Klima-Veränderungen die weltweite Wirtschaftsleistung bis 2050 um bis zu eine Billion Euro. Von 2000 bis 2021 waren es nach Angaben der Bundesregierung allein in Deutschland schon 145 Milliarden Euro.

Kühe im Stall auf einem Bauernhof in Vaterstetten /cows in their stable, 4.12.2024, Foto: Robert B. Fishman

Klimaschutz ist teuer, zu wenig Klimaschutz können wir uns nicht leisten

An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg macht Markus Zimmer, Professor für nachhaltiges Management, folgende Rechnung auf: Die Folgekosten einer Tonne klimaschädlichen CO2 und anderer Klimagase, die wir in die Luft blasen, liegen nach Schätzungen des Umweltbundesamts bei bis zu 1.000 Euro. Ausgehend von diesen Zahlen würde sich jede Investition in eine nachhaltigere Landwirtschaft auch wirtschaftlich lohnen.

Daher braucht es Wege, diese Kosten in die betriebswirtschaftliche Rechnung einzubeziehen. Ein Ansatz ist das Carbon Farming: Demnach bekämen Landwirte Zertifikate für Treibhausgase, die sie in ihren Böden binden. Diese könnten sie an Unternehmen verkaufen, die damit ihren Treibhausgas-Ausstoß „ausgleichen“ könnten.

Auch Martin Zimmer empfiehlt, die Bauern dafür zu bezahlen, dass sie nachhaltiger wirtschaften und damit einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.

Landwirt Thomas Unkelbach sieht das nicht anders. Er hat sich längst auf den Weg gemacht. Seinen zufrieden dreinschauenden Kühen baut er einen Kompostierungsstall mit einer großen Freilauffläche, auf der sie ungehindert spazieren gehen und liegen können. Auf den Stallboden streut er Strauchschnitt, Hackschnitzel, Siebreste und Stroh. So hinterlassen seine Tiere statt aggressiver Gülle nur Mist, den er einsammeln und kompostieren kann. Den bringt er als Dünger auf seinen Acker.

Info:

Grüne Brücke mit Kursen zur regenerativen Landwirtschaft, auch in umstrittenen Methoden:

Aufbauende und regenerative Landwirtschaft

Bodenschutz und nachhaltige Landwirtschaft

Hintergründe im Ökom-Verlag

Geigerhof der Familie Unkelbach:

Von Robert B Fishman

freier Journalist, Autor (Hörfunk und Print), Fotograf, Moderator, Reiseleiter und mehr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*