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Nur wenige Kriegsdienstverweigerer aus Russland bekommen Asyl

Zuletzt aktualisiert am 29. März 2024 um 11:40

„Stell Dir vor, es ist Krieg und niemand geht hin“. Das schrieben während des “Kalten Kriegs” viele Friedensbewegte auf Ihre Plakate. Zwei Jahre nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine ist die Losung aktueller denn je. Deutschland und andere westliche Länder liefern reichlich Waffen in die Ukraine. Demnach müsste Westeuropa russische Kriegsdienstverweigerer mit offenen Armen empfangen. Doch weit gefehlt. Deutschland lehnt wie andere EU-Länder die meisten Asylanträge russischer Kriegsdienstverweigerer ab.

Politiker*innen fast aller Parteien erklären immer wieder, dass russische Kriegsdienstverweigerer in Deutschland willkommen seien. Russische Soldaten sollten die Waffen niederlegen. Das Asylverfahren stehe ihnen offen, heißt es etwa in einem Beschluss des Bundestages vom April 2022.

Doch von rund 3.500 Asylanträgen russischer Kriegsgegner hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF bis September 2023 nur 90 anerkannt. Dies ergab eine Anfrage der Linken im Bundestag.

Für 2023 meldet das BAMF für Asylanträge russischer Staatsbürger im wehrpflichtigen Alter eine Anerkennungsquote von acht Prozent. Das Bundesamt erfasst allerdings nur Alter und Herkunft der Asylsuchenden, nicht jedoch ihre Gründe. „Eine valide Aussage, wie viele Deserteure oder Kriegsdienstverweigerer einen Asylantrag gestellt haben, sei, so das BAMF „nicht möglich“. Robert B. Fishman hat mit jungen Russen gesprochen, die sich vor dem Kriegsdienst nach Deutschland gerettet haben.

 

Mein Beitrag in WDR5- “Neugier genügt”

Dick eingepackt steht ein kräftiger junger Mann auf der Düsseldorfer Rheinufer-Promenade. In einer Hand hält er die weiß-blau-weiße Fahne für ein Freies Russland, in der anderen ein selbstgemaltes Schild. „Russen gegen Putin’s Krieg“ steht darauf. Die Passanten beachten seine Ein-Mann-Demonstration kaum. Danil ist aus Russland geflohen. Er will nicht in den Krieg, weder in der Ukraine noch anderswo.

Kurz vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine kam er mit einem Besuchervisum nach Deutschland.

Asylantrag abgelehnt

Nach Kriegsbeginn beantragte der 31-Jährige Asyl. An dem „verbrecherischen Krieg“ wolle er nicht teilnehmen, nicht töten und nicht getötet werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat seinen Asylantrag abgelehnt. Jetzt wartet Danil auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über seine Klage gegen die Ablehnung. Die Zeit nutzt er, um Deutsch zu lernen. Dann will er eine Ausbildung machen, möglichst in einem technischen Beruf. Nach Russland werde er auf keinen Fall zurückkehren, sagt er.

Auch der Russe Wladimir (27) ist vor dem Krieg nach Deutschland geflohen. Wie Danil hat er lange vor dem Überfall auf die Ukraine als Wehrpflichtiger ein Jahr in der russischen Armee gedient. Für die beiden „ein sinnloses, verlorenes Jahr“. Die meisten Offiziere, sagt der eher stille, nachdenkliche junge Mann, seien „verbitterte verunsicherte Menschen“, die ihre Wut an den jungen Rekruten ausließen. Die meiste Zeit im Militär musste er mit sinnlosen Tätigkeiten  totschlagen. Ein Kommandant habe ihm und seinen Kameraden befohlen, einen verschneiten Platz mit Zahnbürsten zu räumen, berichtet er.

„Soll ich auf Oma schießen?“

Nun wartet Wladimir ebenfalls auf einen Bescheid vom BAMF. Gegen eine Ablehnung will er auf jeden Fall klagen. Nach Russland kann auch er nicht zurück. Verwandte und ehemalige Freunde hätten ihn als „Verräter“ fallen gelassen. In der Heimat drohen ihm Gefängnis und der Einsatz an der Front. Kurz nach dem Einmarsch in die Ukraine hat das Putin-Regime den Straftatbestand „Diskreditierung der Streitkräfte“ eingeführt. Ende Januar verurteilte ein Gericht eine 72-Jährige zu fünf Jahren Lagerhaft, weil sie zwei Social-Media-Posts gegen den Krieg gepostet hat. Kurz zuvor bekam ein 63-jähriger Mann wegen des gleichen „Vergehens“ sieben Jahre.

“Weg nach Hause”

Trotz solcher Strafen protestieren Menschen in Russland – nicht gegen das Regime, sondern für bessere Bedingungen im Krieg: Die Bewegung „Put Domoij“ (Weg nach Hause) organisiert Widerstand auf ihrem Telegram-Kanal. Frauen beschweren sich öffentlich über die zum Teil erbärmlichen Verhältnisse, unter denen ihre Männer in der Armee dienen müssen. ….

Forum Magazin

Wer den Kriegsdienstverweigerern aus Russland helfen möchte, kann sich an die Organisationen Stop Army und Connection e.V. wenden

Im Deutschlandfunk Kultur lief am 19. März 2024 mein Beitrag über eine außergewöhnliche ukrainische Perspektive und die Gründe eines jungen Mannes, auch dort den Kriegsdienst zu verweigern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Robert B Fishman

freier Journalist, Autor (Hörfunk und Print), Fotograf, Moderator, Reiseleiter und mehr

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