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Marseille: 111 Dörfer am Meer

Zuletzt aktualisiert am 4. August 2017 um 18:39

Marseille wird komplett umgekrempelt. Am ehemaligen Industriehafen entsteht für mehrere Milliarden Euro eine neue Stadt mit Büros, Wohnungen, Einkaufstempeln, Promenaden und Museen. Die Innenstadt mit Europas größter nordafrikanischer Einwanderergemeinde wird für viel Geld saniert. Wer finanziell nicht mithalten kann muss raus. 2013 trägt die Fast-Millionenstadt am Mittelmeer den Titel Europäische Kulturhauptstadt. Das alte Marseille verschwindet.

Marseille - Blick über den Alten Hafen und die Stadt
Blick über den nächtlichen Alten Hafen und die Stadt

Die Kopflampe des Barkeepers wirft einen schwachen Schein in den rappelvollen Raum. Auf der Theke brennen eine handvoll Teelichter. Hinter dem schwarzen Vorhang, der das Foyer vom Saal trennt, ist es stockdunkel. Ein junger Mann verteilt in der Finsternis warme Gläser, in denen kleine Löffel stecken: „Chocolat Magique“, Zauberschokolade: Schokolade, Karamelzucker und Reiswaffeln. Lecker. Die Dunkelheit schärft die Sinne. Alles schmeckt intensiver.

Jeden letzten Dienstag im Monat laden Frédéric und….

Kulturzentrum La Friche Belle de Mai in Marseille

 

 

 

 

 

meine Reportage aus Marseille, Eur. Kulturhauptstadt 2013 auf schwarzaufweiss:

Von Robert B Fishman

freier Journalist, Autor (Hörfunk und Print), Fotograf, Moderator, Reiseleiter und mehr

2 Antworten auf „Marseille: 111 Dörfer am Meer“

Europäische Kulturhauptstadt? Schön und gut. Doch was ist mit der Bandenkriminalität, mit der Drogenmafia? Die Fassaden herausputzen, die Museen behübschen und die Werbetrommeln rühren, dass einem die Ohren wackeln, ist die eine Seite. Aber die nach vielen Jahren Waffenstillstand ausgebrochene Bandenkriminalität, die bereits in diesem Jahr 27 Ermordete bilanziert, ist die Schattenseite des angeblichen „Paris am Meer“.

Multikulturell ist Marseille, aber auch fremdenfeindlich, ja sogar rassistisch. Die Armut in dem alten Stadtviertel hinter dem Bahnhof, die Hoffnungslosigkeit in den Neubauungegenden im Westen der Stadt und die Nachtgewächse im Industriehafen sprechen eine andere Sprache als die Vermarkter der Stadt, in der Jean-Claude Izzo 1945 in Marseille geboren wurde und 2000 starb.

Der ehemalige Journalist Izzo fing mit erst fünfzig Jahren an, seine geliebte Heimatstadt sinnlich, ehrlich und kritisch in Romanen zu verewigen. Seine spannende Marseille-Trilogie zählt heute zu den großen Werken der internationalen Kriminalliteratur.

Seine Marseille-Geschichten über Korruption, Gewalt und soziale Verwahrlosung sind scharf beobachtete Milieuschilderungen. Er besingt die Schönheit französischen Metropole am Mittelmeer, aber er zeigt schonungslos das tödliche Gift, das in ihr steckt. Und das Gift wirkt bis in die Gegenwart, auch ins Europäische Kulturhauptstadtjahr 2013.

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